Was hat es auf sich mit diesem neuen Social-Media-Format? „Hot“ oder „Schrott“? Wenn Sie uns dieses saloppe Zitat verzeihen!
Die Antwort ist, wie so häufig, schwieriger als die Frage.
Zum einen ist „Clubhouse“ das jüngste Zeitgeist-Produkt am Markt. Erst 2020 ausgerollt, haben die beiden Betreiber der Plattform, Paul Davison und Rohan Seth, von Anfang an darauf Wert gelegt, die „richtigen“ Neuzugänge für die Anwendung zu begeistern. Das waren im ersten Schritt Prominente und Influencer.
Auch jetzt sorgt Alpha Exploration, die Firma der beiden Erfinder, für ein Gefühl der Knappheit und Exklusivität. Insofern dürfte es kein Zufall sein, dass die App derzeit nur für IOS-Geräte verfügbar ist und es einer Einladung durch einen schon aktiven Nutzer bedarf, um selbst eintauchen zu können in die vielen verschiedenen Rooms des Clubhouses.
Die Funktionsweise, ist man einmal angemeldet, ist einfach und erlaubt es, mal hier reinzuhören, sich mal dort in einer Diskussion einzubringen oder auch selbst einen Room zu einem Thema der Wahl zu organisieren. Dabei sind die Audio-Beiträge ausschließlich live zu verfolgen. Dazu die mögliche illustre Gesellschaft der verschiedenen (aufgehenden) Sterne an den unterschiedlichen Himmeln – sei es Politik oder Social-Media, Film, Fernsehen oder Talk. Viele interessante Menschen scheinen sich derzeit gerade außerhalb der Businesszeiten im Clubhouse zu versammeln und zu allen denkbaren Themen auszutauschen. Wer will das schon verpassen?
Für das Clubhouse hätte es keinen besseren Starttermin geben können als das Corona-Jahr 2020. Wenn es derzeit aus Vernunftgründen schon nicht möglich ist, über alles Mögliche in trauter Runde persönlich zu reden, bietet sich in den zahlreichen Rooms genau dazu die Gelegenheit! Wir alle sehnen uns wieder nach mehr direktem Kontakt und Austausch. Wissensaustausch, netzwerken, oder einfach die neusten Trends zu diskutieren ist in Clubhouse, durch den Austausch via Audio, deutlich intensiver möglich als auf anderen Plattformen. Wo sonst kann man in Zeiten, in denen keine Präsenzveranstaltungen stattfinden, so einfach mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt treten und sich austauschen?
Gerade für Communities, die gerne Neues ausprobieren und früh auf den fahrenden Zug aufspringen hat Clubhouse seine Reize. Durch die Exklusivität des Einladungszwangs finden sich bereits viele Fachexperten der New Work Szene in Clubhouse wieder. Der Austausch auf Clubhouse lässt ein Level an Authentizität zu, die manch anderer Plattform fehlen.
Also, alles eitel Sonnenschein im Clubhouse?
Leider nein! Widerstände entwickeln sich derzeit an durchaus unterschiedlichen Fronten. So schütten die ersten Kritiker aus generellen Überlegungen Wasser in den Wein, indem sie der App ein ebenso jähes Ende prophezeien, wie der Start furios war. Als Begründung wird zum einen angeführt, dass das Grundkonzept leicht zu kopieren ist und so gerade die etablierten Player in der Social-Media-Welt schnell eigene Audio-Chat-Funktionen in ihre bestehenden Plattformen integrieren werden.
Gleichzeitig könnte sich in diesem Zusammenhang die gewählte Strategie der Exklusivität als negativ erweisen, da so von vorneherein nur ein kleiner Teil der Community erreicht werden kann. So ist die App derzeit wie schon beschrieben nur für iOS-Geräte nutzbar.
Darüber hinaus sind es im Moment gerade die Influencer, die derzeit den Hype befeuern. Da diese ihren Followern regelmäßig etwas Neues bieten müssen, scheint es darüber hinaus eine Frage der Zeit, bis sie weiterziehen und einen nächsten Hype mit einem anderen Tool hervorrufen.
Doch es gibt auch weitere Schwachstellen des Clubhouse-Geschäftsmodells.
In ersten Nutzungsanalysen wurde festgestellt, dass ein großer Teil der Nutzer männlich und weiß ist. Das damit unterstellte Fehlen von Diversität, wie auch erste Berichte über die Infiltration rechter Gedanken und Rhetorik in den Gesprächsräumen, sind praktische Gefahren für eine anhaltende Akzeptanz der Plattform.
Und wie steht es um den Datenschutz?
Das Portal teilt eine große Schwäche mit vielen anderen Social Media Plattformen: Den Umgang mit dem Datenschutz!
Bisher ist es Clubhouse nicht gelungen, plausible Antworten auf die Fragen nach dem Schutz der Nutzer und datenschutzrechtlicher Regularien zu finden.
Die eine oder der andere mag sich, wenn der Hype erst mal etwas abgeflacht ist, fragen, wie die exklusive Anmutung mit der aggressiven Datenerhebung und Vernetzung zusammenpasst. Schon sobald man die App herunterlädt, also im Zweifelsfall weit, bevor eine eigene Nutzung erfolgen kann, wird beispielsweise das eigene Adressbuch auf die Server hochgeladen, sofern man die Zugriffsrechte hierauf nicht ablehnt. Für die Übermittlung dieser Kontaktdaten an Clubhouse bedarf es jedoch gemäß der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) jeweils der Einwilligung jedes Einzelnen der dort Gespeicherten. Grundsätzlich gilt: Für die Datenübermittlung der Adressbucheinträge ist verantwortlich, wer durch das Herunterladen der App die Übermittlung auslöst, d.h. eine unrechtmäßige Übermittlung wäre in diesem Fall unter Umständen dem Neunutzer anzulasten.
Im weiteren Verlauf erfolgt ein Abgleich mit den vorhandenen Daten der Nutzer von Clubhouse. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass die Server von Alpha in den USA gehostet werden, was eine Übermittlung dorthin erforderlich macht. Mit Blick auf den Wegfall des Privacy-Shield-Abkommens ein zweiter, schon für sich allein genommen, nicht ganz unproblematischer Punkt.
Denn aufgrund des US-Cloud-Acts, der öffentlichen Stellen Zugriff auf Daten aller amerikanischen Unternehmen gewährt, ist kein angemessenes Schutzniveau der Daten zu erreichen, was auch die Möglichkeit des wirksamen Abschlusses von Standardvertragsklauseln in Frage stellt, wie der EuGH in seinem als Schrems II bekannt gewordenen Urteil erklärt.
Ein weiteres datenschutzrechtliches Problem besteht darin, dass Aufzeichnungen von den Gesprächen erstellt werden. Diese sollen laut Betreiber ausschließlich der Sicherheit der Nutzer dienen und nur im Beschwerdefall ausgewertet werden. Dennoch bleibt das Aufzeichnen heikel und wird zumindest in einem rechtlichen Graubereich stattfinden. Es soll zumindest nicht unerwähnt bleiben, dass diese Praxis in Konflikt mit § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) stehen könnte. Mit Blick auf das Fanpage-Urteil des EuGH und die darin unterstellte „Gemeinsame Verantwortlichkeit“ verbleibt für den Organisator von Konferenzräumen zumindest die dringende Empfehlung zu Beginn auf die Aufzeichnung hinzuweisen.
Ob die DSGVO allerdings überhaupt Anwendung findet, wird aktuell zwischen den Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern diskutiert. Keine Anwendung findet die DSGVO in Fällen der ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten. Laut AGB von Clubhouse ist nur eine solche rein private Nutzung des Dienstes gestattet. Der Aspekt der Ausschließlichkeit wird zumindest auf Geräten mit beruflicher und privater Nutzung (Dual-Use) ausgeschlossen werden können.
Die datenschutzrechtlichen Schwächen sieht mithin auch die Verbraucherzentrale Bundesverband. Diese hat Alpha Explorations einerseits wegen des Betreibens der Social Media Plattform ohne Bereitstellung eines Impressums und andererseits aufgrund der bereits dargestellten, mit der DSGVO nicht zu vereinbarenden Nutzung der Adressbücher der Nutzer und Interessenten abgemahnt.
Insgesamt stellt sich Clubhouse zunächst als einladend dar und bedient gerade im Moment eindeutig den Wunsch vieler, sich mit anderen Menschen zu treffen und austauschen zu können. Gerade in der aktuellen Corona-Situation mit immer neuen Einschnitten für das soziale Leben des Einzelnen ein allzu verständlicher Wunsch. Die Audio-Diskussions-Möglichkeit bietet in vielen Aspekten des öffentlichen und privaten Lebens eine Nähe und Möglichkeiten zum direkten Austausch, die uns lange gefehlt haben.
Allerdings scheinen aktuell verschiedene Aufgabestellungen – noch – nicht zufriedenstellend gelöst.
Vor diesem Hintergrund ist unser Fazit: Wo Licht ist, ist auch Schatten!
Wer sich dafür entscheidet, die App herunterzuladen und, nach erfolgter Einladung, Teil der Community zu werden, sollte sich also der möglichen Konsequenzen und Risiken bewusst sein.
Wichtig!
Gerade (teilweise) dienstlich genutzte Geräte sollten nicht eingesetzt werden, um Clubhouse zu verwenden, sofern nicht ausgeschlossen werden kann, dass Daten aus dem Telefonbuch an Clubhouse übertragen werden. Denn hier ist ein rein privater Gebrauch nach Art. 2 Abs. 2 lit. c) und damit eine Nicht-Anwendbarkeit der DSGVO von vorneherein ausgeschlossen.
Zum Autor:
Tim Taschau ist als Consultant der migosens GmbH Ansprechpartner beim Kunden vor Ort rund um das Thema Datenschutz sowie angrenzende rechtliche Fragestellungen. In der Beratung ist ihm ein pragmatischer Ansatz wichtig, der sowohl die individuelle Kundensituation berücksichtigt, als auch die angemessene Umsetzung rechtlicher Erfordernisse sicherstellt.
Anna Ploeger hat Psychologie und Wirtschaftspsychologie an der Universiy of Groningen in den Niederlanden studiert. Mit Leidenschaft verfolgt sie das Ziel Arbeitswelten positiv und nachhaltig zu gestalten. Seit Sommer 2020 bringt sie frischen Wind in das Work Smart Team der migosens GmbH und setzt sich selbst immer wieder neue Herausforderungen.