Für uns Anlass, einmal zu schauen, wie sich die Nutzung dieser Technik im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat und welche mit dem Datenschutz verbundenen Themen in diesem Zusammenhang zu beachten sind.
Der erste serienreife Videorekorder ist am 07.06.1975 der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt worden. Wenig später, im Dezember 1975 folgte dann auch das erste digitale, mit einer Videokamera aufgenommene Bild. Damit begann der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbare Siegeszug dieses Zweiergespanns. Besonders beliebt bei den Nutzern war diese Technik seither, weil keine Filme entwickelt werden müssen, der monetäre Aufwand überschaubar, und eine Bildwiedergabe ohne große zeitliche Verzögerung möglich ist.
Entsprechend umfangreich ist die Palette der Einsatzgebiete in den Folgejahren geworden. So war der Camcorder zum einen lange Zeit ein häufig genutzter Begleiter von Touristen, die ihre Reiseerlebnisse auf Magnetband, Chip oder DVD bannen und zu Hause noch einmal erleben wollten. Kameras sind darüber hinaus inzwischen auch stete Begleiter bei jedem Einkaufsbummel, auf Straßen und Plätzen und überall, wo möglicherweise Gefahren auf den Einzelnen lauern können, wie beispielsweise in Bahnhöfen und an Bahnsteigen. Auch nutzen gewerbliche wie auch private Immobilienbesitzer Videoüberwachung zum Schutz ihres Eigentums.
Seitdem das Smartphone seinen Siegeszug begonnen hat, ist zwar das Aufnahmemedium ein anderes, gleichzeitig hat dieser Meilenstein auf Grund der erneut erleichterten Handhabung noch einmal für eine erhebliche Ausweitung des Bildmaterials gesorgt.
Der Videorecorder seinerseits ist dieser Tage im privaten Bereich weitgehend abgelöst von neuen Möglichkeiten der Speicherung und Wiedergabe, sei es der interaktive Fernseher, das Smartphone selbst, ein Tablet, ein Laptop, die Cloud, der USB-Stick, …
Die Einsatzgebiete von Videotechnik sind vielfältig
Wie schon beschrieben werden Videokamera und -rekorder in den letzten Jahrzehnten zur Erfüllung der unterschiedlichsten Aufgabenstellungen genutzt.
Der Aspekt, dem wir uns heute widmen wollen, stellt ein wichtiges Anwendungsfeld der Videotechnik dar – die Videoüberwachung.
In den letzten zwei Jahrzehnten, speziell seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 in New York und dem Pentagon in Arlington, hat die Überwachung des öffentlichen wie auch des privaten Raumes unter Einsatz von Videotechnik überproportional zugenommen. Es werden sehr große Mengen an Daten verarbeitet, die – abhängig von den jeweiligen Umständen – den Regularien der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) und ergänzenden gesetzlichen Vorschriften unterliegen.
Wo für öffentliche Stellen das Bundesdatenschutzgesetz und die verschiedenen Bundes-, und Landespolizeigesetze Regeln festlegen, wird die Rechtslage für Unternehmen und Privatpersonen unübersichtlicher. Die DS-GVO selbst enthält keine speziellen Regeln für den Einsatz von Videoüberwachung, sodass deshalb die datenschutzrechtlichen Anforderungen für den Einsatz dieser technischen Maßnahme aus dem allgemeinen Regelwerk der DS-GVO abgeleitet werden müssen.
Das Kurzpapier Nr. 15 der Datenschutzkonferenz (DSK), dem Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, befasst sich eingehend mit dem Thema Videoüberwachung.
Hiernach ist eine Videoüberwachung zum einen über die Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO zu legitimieren, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen. Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Diese ist zu dokumentieren und die Notwendigkeit der Fortsetzung der Maßnahme ist regelmäßig zu überprüfen.
Die Tatsache, dass Auslegungen und Ableitungen, die sich aus der DS-GVO wie auch aus anderen europäischen Regelwerken ergeben, über die Landesgrenzen hinweg in ganz Europa einheitlich zu erfolgen haben, sorgte in der Vergangenheit dafür, dass es Schwierigkeiten gab, gesetzeskonforme Regelungen für den Einsatz von Videoüberwachungstechniken im nicht-öffentlichen Raum herbeizuführen.
Neue Leitlinie des Europäischen Datenschutzausschusses
Im Januar 2020 wurde diese Lücke jedoch durch die Verabschiedung der „Leitlinie zum datenschutzkonformen Einsatz von Videoüberwachung“ durch den Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) geschlossen, so dass zukünftig mehr Klarheit und Rechtssicherheit gegeben sein soll.
Ein zentrales Element dieser Leitlinie ist die Betonung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dieser besagt, dass bei jedem Einsatz von Videoüberwachung überprüft werden muss, ob diese Maßnahme geeignet ist, den gewünschten Zweck zu erfüllen und gleichzeitig das mildeste Mittel darstellt, dieses Ziel zu erreichen.
Die Leitlinie des Europäischen Datenschutzausschusses weist in diesem Zusammenhang auf die Beachtung des Art. 5 DS-GVO. In dessen Abs. 1 lit. b) wird die sogenannte Zweckbindung festgeschrieben, die besagt, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten ausschließlich zu festgelegten, eindeutigen und legitimen Zwecken erfolgen darf. Ebenfalls wichtig für die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung gemäß Art 5 Abs. 1 lit. c) ist die Frage der Angemessenheit der Maßnahme für die Erreichung des angestrebten Zwecks und die Reduzierung der verarbeiteten Daten auf ein für die Zweckerreichung notwendiges Maß.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Betonung der Verhältnismäßigkeit hinzuweisen, da diese ein Gegengewicht zu der Neigung darstellt, die Videoüberwachung beständig auszuweiten. Konkret bedeutet dies, dass es nicht genügt, ein diffuses, objektiv schwer zufassendes Gefühl von Verunsicherung zu spüren, um eine Überwachung seiner Mitmenschen durch Kameraeinsatz zu legitimieren. Wie in der Leitlinie beschrieben, bedarf es eines tatsächlichen Vorkommnisses als auslösenden Moment. Und das bereits vor Einführung der Videoüberwachungsmaßnahme. Der Europäische Datenschutzausschuss („European Data Protection Board“) empfiehlt, solche Vorkommnisse ausführlich zu dokumentieren, um so Nachweis über das berechtigte Interesse konkret führen zu können.
Von der bloßen Sorge, etwas könnte passieren, ist also der sinnvolle Einsatz von Videoüberwachungstechnik zur Prävention im Fall einer konkreten Bedrohung oder zu Zwecken der Beweissicherung deutlich abzugrenzen.
Doch die Leitlinie des EDSA geht über die reine Beurteilung des Einsatzes der Videoüberwachung hinaus.
Im weiteren Verlauf stellt sie einen Kontext von Videoüberwachung und der Nutzung von biometrischen Daten her. Die Verarbeitung biometrische Daten unterliegt auf Grund ihrer Einstufung als besondere Kategorie personenbezogener Daten gemäß Art. 9 Abs. 1 DS-GVO zusätzlichen Restriktionen. Zwar stellt die Videoüberwachung selbst nicht notwendigerweise eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten dar. Gleichwohl ermöglichen es neue Techniken und Weiterentwicklungen mit immer geringerem Aufwand, einfache Videokameras so in Überwachungssysteme zu integrieren, dass beispielsweise über eine Gesichtserkennung die Identifizierung einzelner aufgenommener Personen vorgenommen wird oder aus der aufgenommenen Situation Rückschlüsse auf das Verhalten der betroffenen Person gezogen werden.
Wenn Techniken zusammenwachsen…
Vor dem Hintergrund der möglichen Risiken und möglicherweise erheblichen negativen Auswirkungen für die Rechte der betroffenen Personen weist der EDSA noch einmal auf die Wichtigkeit einer detaillierten und einzelfallbezogenen Interessenabwägung hin. Gleichzeitig stellt der EDSA heraus, dass die Ausnahmetatbestände des Art. 9 Abs. 2 lit. b) – j) DS-GVO nur in den seltensten Fällen dazu geeignet sein werden, Videoüberwachung, beziehungsweise auf ihr beruhende weitere Verarbeitungen zu legitimieren.
Nach Einschätzung des EDSA bedarf die Verarbeitung von Videoüberwachungsmaterial als besondere personenbezogene Daten, also zum Beispiel zur Gesichtserkennung, der Einwilligung aller in diesem Kontext aufgenommenen Personen (Art. 9 Abs. 2 lit. a) DS-GVO), ohne Prüfung, ob die Daten jedes Einzelnen auch weiterverarbeitet werden.
Klärend definiert der Europäische Datenschutzausschuss darüber hinaus, unter welchen Bedingungen von der Verarbeitung biometrischer Daten auszugehen ist. Hierzu stellt der EDSA drei Kriterien in den Vordergrund, die er Artikel 4 Nr.14 und Art. 9 DS-GVO entlehnt. Demnach geht es um Daten, die
- sich auf physische, psychologische oder Charakteristika im Verhalten beziehen
- aus der Nutzung spezifischer technischer Verarbeitungsmethoden gewonnen wurden
und
- erhoben wurden, um einzelne natürliche Personen zu identifizieren.
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bei der Verarbeitung von Videoüberwachungsmaterial zum Zwecke der Eingruppierung der Aufgenommenen in, beispielsweise Alterscluster, keine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten bedeutet, sofern der Verantwortliche die Aufnahmen nicht in einer Weise speichert, die die – auch nachgelagerte – Identifikation von Einzelpersonen zulässt.
Abschließend noch ein kleiner Exkurs in den ganz privaten Bereich:
Eine Ausnahme stellt die Nutzung von Videoaufnahmen im rein privaten Umfeld dar. Hier ist die DS-GVO gemäß Art. Abs. 2 lit c) nicht einschlägig. In diesen Fällen misst sich die Legitimität der Videoüberwachung an nationalen gesetzlichen Regularien. Diesbezüglich relevante gesetzliche Bestimmungen können im Grundgesetz, im Kunsturhebergesetz, in der Sozialgesetzgebung, dem Strafgesetzbuch und an verschiedenen anderen Stellen gefunden werden.
Grundregeln für den gesetzeskonformen, rein privaten Einsatz von Videoüberwachung lassen sich an Hand von folgenden Beispielen darstellen:
- Die Videoüberwachung des eigenen Gartens fällt unter das Haushaltsprivileg, wenn ausschließlich das eigene Grundstück, nicht jedoch öffentliche Bereiche oder der Garten des Nachbarn mit überwacht werden.
- Ein Urlaubsvideo, das zwar im Familien-, und Freundeskreis gezeigt, jedoch nicht allgemein verfügbar gemacht wird, fällt ebenfalls unter das Haushaltsprivileg.
- Auch die Aufnahmen einer Mountainbike-Fahrt in abgelegener Gegend für die ausschließlich eigene Unterhaltung des Aufnehmenden fallen unter das Haushaltsprivileg.
Ob sich die Erfinder von Videorekorder und Videokamera damals hätten vorstellen können, was für Fragestellungen sich einmal bei Einsatz ihrer Erfindungen stellen werden?
Es bleibt spannend, wie das Zusammenwachsen der einzelnen Techniken in der Zukunft weitergeht und wie sich dies auf uns und den Datenschutz weiter auswirken wird!
In unserem Podcast „Der Datenschutz Talk“ sprechen Otfried Büttner, Datenschutzbeauftragter der NATIONAL-BANK Aktiengesellschaft und Markus Zechel über die Richtlinie des Europäischen Datenschutzausschusses zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Videoüberwachungsanlagen aus Februar diesen Jahres. Dabei werden Fragen der Rechtmäßigkeit und der Speicherdauer behandelt, wie auch die Ausnahmen bei der Überwachung zu ausschließlich privaten oder familiären Tätigkeiten. Hier geht es zur Podcastfolge.
Zum Autor:
Tim Taschau ist als Consultant der migosens GmbH Ansprechpartner beim Kunden vor Ort rund um das Thema Datenschutz sowie angrenzende rechtliche Fragestellungen. In der Beratung ist ihm ein pragmatischer Ansatz wichtig, der sowohl die individuelle Kundensituation berücksichtigt, als auch die angemessene Umsetzung rechtlicher Erfordernisse sicherstellt.