Jeder von uns ist unterschiedlich. Und das ist auch gut so. Wie langweilig wäre eine Welt voller Menschen, die sich völlig gleichen? Haarfarbe, Augenfarbe, Religion, Geschlecht, Herkunft, Alter, Familienstand – all das und mehr zeichnet uns aus, unterscheidet uns und macht diese Welt bunt. Und doch wird Diversität im Arbeitsumfeld immer wieder thematisiert mit Berichten von aktuellen Erfolgsgeschichten, aber auch von Herausforderungen.
Was verstehen wir eigentlich unter Diversität? Und wie sollten wir in Zukunft damit umgehen? Was sind die Vorteile von diversen Teams und welche Stolpersteine gibt es? Wie wirken sich die unterschiedlichen Bedürfnisse der Beschäftigten auf die Zusammenarbeit im Team aus? Und was können wir aus aktuellen Erfolgsgeschichten lernen?
Diesen und weiteren Fragen haben wir uns im 2. Work Smart Talk in diesem Jahr gestellt – zusammen mit Dr. Carolin Eitner, Diversitätsbeauftragte bei thyssenkrupp Steel Europe und Elisa Messerschmitt, Consultant Work Smart bei der migosens GmbH und Trainerin für interkulturelle Kompetenzen. Zu unserer großen Freude konnte der Work Smart Talk zum ersten Mal seit langem als Präsenzveranstaltung stattfinden. Wir haben uns vor Ort bei unserem Gastgeber BITMARCK in Essen getroffen.
Warum müssen sich Unternehmen überhaupt verstärkt mit dem Thema Diversität auseinandersetzen?
Diversität ist in unserer Gesellschaft Realität. Allein deshalb kann sich niemand diesem Thema entziehen. Aber neben einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung hat die Diskussion um Diversität auch eine sehr praktische Relevanz für Unternehmen. Denn jetzt und in Zukunft können Unternehmen nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn sie sich in ihrer Unternehmenskultur, ihren Strukturen und Prozessen auseinandersetzten und hinterfragen. Im Sinne der Arbeitgeberattraktivität und um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken müssen Barrieren für Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, Geschlechtern, sexuellen Orientierungen oder physischen Einschränkungen abgebaut werden. Beschäftigte suchen zunehmend nach Arbeitgebern, mit denen sie sich identifizieren und die ihnen ein Arbeitsumfeld geben, in dem sie sich wohlfühlen. Eine weiße, hierarchische Top-down Kultur ist heutzutage eher hinderlich als hilfreich, um sich im Konkurrenzkampf um die besten Talente mit anderen Unternehmen durchsetzen.
Diversität wird zur Normalität
Mit dem Ziel, Diversität im Unternehmen greifbarer zu machen, hat die Charter der Vielfalt sieben Dimensionen definiert. Dazu gehören Alter, Soziale Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung, körperliche und geistige Fähigkeiten, Geschlecht und geschlechtliche Identität, sowie ethnische Herkunft und Nationalität. Zusammen ergeben diese sieben Dimensionen ein ganzheitliches Bild von Diversität wieder.
Als Einstieg in die Themenvielfalt von Diversität können die Dimensionen durchaus einzeln betrachtet werden. So bleibt die Thematik überschaubarer und das entsprechende Projekt durchführbar. Und auch rein logistisch macht es für Unternehmen Sinn einzelne Diversitätsaspekte nacheinander anzugehen, z.B. indem zuerst ein Netzwerk für Frauen gegründet wird, um dann im zweiten Schritt das Thema sexuelle Orientierung anzugehen.
Allerdings bedarf es für eine langfristige, ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Diversität im Unternehmen eine intersektionale Betrachtung aller sieben Dimensionen. Ultimatives Ziel bei allen Anstrengungen und Aktivitäten im Sinne des Diversitätsmanagements sollte sein, dass sich alle Mitarbeitende im Unternehmen so willkommen fühlen, wie sie sind, und nicht nur eine Teilmenge. Kurz gesagt: Diversität muss mit allen seinen Facetten zur Normalität werden.
Doch wie können wir das erreichen? Hier sind 3 Schritte, die einen ersten Anstoß bieten.
Bewusstsein schaffen
Ein erster Schritt ist, Bewusstsein für das Thema Diversität zu schaffen. Nicht jedem von uns ist bewusst, wo sich Barrieren für andere Menschen auftun. Eine Kernaufgabe ist es, auf diese Barrieren überhaupt aufmerksam zu machen.
Nicht zu vernachlässigen ist hier der sogenannte „Unconscious Bias“. Damit sind unbewusste Vorurteile gemeint, die durch die Sozialisierung in der Mehrheitsgesellschaft entstehen. Vor diesen unbewussten Vorurteilen ist keiner von uns gefeit. Da sie unbewusst sind, können sie dazu führen, dass wir eine andere Person zum Beispiel aufgrund ihres Geschlechts oder Hautfarbe beurteilen, ohne dies zu wollen. Hierüber zu informieren kann für solche Situationen sensibilisieren.
In jedem Fall ist ein realistisches Bild des Unternehmens als Basis entscheidend. Fachliche Studien bilden hier eine Säule, vorhandene Daten und Umfragen im Unternehmen die andere, um ein klares Bild der aktuellen Situation im Unternehmen zu bekommen. Alle weiteren Maßnahmen müssen auf diesen Daten aufbauen.
Prozesse und Strukturen hinterfragen
Eine oft diskutierte Maßnahme ist eine diverse Neubesetzung von Stellen über Regularien und Quoten sicher zu stellen. Doch nicht jeder ist Fan dieser Maßnahmen, denn eigentlich sollte es im Bewerbungsprozess doch vor allem um die Qualifikationen des Einzelnen gehen und nicht um die diversen Merkmale der Bewerberinnen und Bewerber.
Dieses Problem können wir auch von der anderen Seite aufziehen. Warum bewerben sich weniger diverse Menschen auf eine Stelle und warum werden sie nicht eingestellt? Wer fühlt sich von den Inhalten einer Stellenbeschreibung angesprochen und wer nicht? Inhalte mit einer neutralen Person zu diskutieren kann hier weiterhelfen oder auch in den direkten Dialog mit Betroffenen zu gehen, um die genauen Hintergründe zu verstehen.
Weitere Überlegungen gehen in die Richtung das System anzupassen, da eine 40 Stunden Woche nicht für jeden Lebensstil oder Familienkonstellation geeignet ist. Beispielsweise Jobsharing, auch in Führungspositionen, oder lebensphasenorientiertes Arbeiten aktiv im Unternehmen anzubieten hilft, um für Personen attraktiv zu sein, die keine 40 Stunden in der Woche arbeiten können oder auch wollen.
Auch kleinere Maßnahmen können ein starkes Zeichen im Sinne der Diversität setzten. Wie wäre es beispielsweise Feiertage frei wählbar zu gestalten? Ich selbst kann dann entscheiden, ob ich Weihnachten oder am Zuckerfest frei haben möchte.
In den Dialog gehen: Netzwerke starten
Eine offener uns ehrlicher Diskurs mit allen Beteiligten ist unerlässlich, um aktuelle Barrieren und mögliche Lösungswege im Unternehmen zu identifizieren. Interne Netzwerke, zum Beispiel für Frauen, bieten die Möglichkeit sich innerhalb einer Gruppe zu vernetzten, sich gegenseitig zu unterstützen, gemeinsam über die aktuellen Herausforderungen zu diskutieren und passende Lösungen zu erarbeiten. Eine interessante Frage dabei ist, wer Zugang zum Netzwerk haben soll. Sollten im Frauennetzwerk auch Männer eingeschlossen werden, die hier aktiv werden wollen?
Egal auf welches Thema das Netzwerk ausgerichtet ist und wer dazu Zugang hat, wichtig ist, dass nicht nur intern im Netzwerk geredet wird, sondern auch nach außen hin im gesamten Unternehmen darüber berichtet wird, um ein Bewusstsein zu schaffen. Auch ein direkter Draht zum Management hat sich bewährt, um immer wieder auf das Thema hinweisen und Entscheidern auf die Füße treten zu können.
Die ersten Schritte für Ihr Unternehmen
Wenn Sie das Thema Diversität in Ihrem Unternehmen angehen wollen, sind Ihre ersten 3 Schritte folglich:
- Bewusstsein schaffen
- Daten sammeln & Strukturen hinterfragen
- und den Dialog im Unternehmen starten.
Fazit
Diversität ist ein spannendes und facettenreiches Thema, dem sich Unternehmen spätestens aufgrund von Arbeitgeberattraktivität und Konkurrenzfähigkeit widmen müssen. Und auch wenn sich schon einiges bewegt hat und wir von großartigen Beispielen und Ideen profitieren können, müssen wir im Dialog bleiben, damit Diversität wirklich zu gelebter Normalität werden kann.
Zur Autorin
Anna Ploeger hat Psychologie und Wirtschaftspsychologie an der Universiy of Groningen in den Niederlanden studiert. Mit Leidenschaft verfolgt sie das Ziel Arbeitswelten positiv und nachhaltig zu gestalten. Seit Sommer 2020 bringt sie frischen Wind in das Work Smart Team der migosens GmbH und setzt sich selbst immer wieder neue Herausforderungen.
Informationen zu Referent:innen und Gastgeber
Dr. Carolin Eitner
Dr. Carolin Eitner ist Senior Expert im HRM bei thyssenkrupp Steel Europe. Sie beschäftigt sich intensiv mit Trends, Good Practices und innovativen Lösungen eines strategischen Diversitymanagements in all seinen Facetten. Immer mit dem Ziel die Organisation auf dem Weg der Diversitätsentwicklung mitzunehmen. Carolin hat Sozialwissenschaften studiert und an der Universität Bochum promoviert. Außerdem arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gerontologie der TU Dortmund.
Elisa Messerschmidt
Elisa Messerschmidt ist Consultant für smart Work bei der migosens GmbH. Sie ist Trainerin und Coach für interkulturelle Kompetenz, New Work und Nachhaltigkeit. Seit über 10 Jahren übersetzt sie gesellschaftliche Herausforderungen gemeinsamen mit Unternehmen, Organisation und öffentlichen Institutionen in Strukturen, Prozesse, sowie Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeitenden. Elisa engagiert sich für einen sozial nachhaltigen Kulturwandel in der Arbeitswelt ein.
BITMARCK
BITMARCK treibt als Managed Service Provider im IT-Markt der gesetzlichen Krankenversicherungen die Digitalisierung voran. Im Entwicklungsprozess von digitalen Lösungen braucht es immer wieder neue Denkanstöße und eine Arbeitsatmosphäre, in der sich die Entwickler:innen, unabhängig von der Herkunft, dem Geschlecht oder der Religion willkommen fühlen.
Kreative Arbeitsprozesse finden bei BITMARCK unter anderem auf der CDO-Fläche statt, in der Teams zusammenkommen und an kreativen Lösungen für diverse Herausforderungen arbeiten. Der Work Smart Talk findet daher auf dieser Fläche statt.
Was ist der Work Smart Talk?
Beschäftigte finden, binden und motivieren sind aktuelle Herausforderungen für Unternehmen. Für den Weg hin zu einem attraktiven und modernen Arbeitgeber gibt es viele Herausforderungen und verschiedenste Herangehensweisen. 3-Mal im Jahr treffen wir uns beim Work Smart Talk immer zu einem anderen Themenschwerpunkt aus der Zukunft der Arbeit: Zusammenarbeit, Führung, Organisation, Technologie und Arbeitsumfeld. Zwei Referenten mit unterschiedlichem Erfahrungshorizont geben einen Überblick zur Thematik und exklusive Einblicke in ihren eigenen Arbeitsalltag. Im gemeinsamen Austausch mit allen Teilnehmenden sammeln wir neue Impulse, besprechen individuelle Herausforderungen und entdecken neue Lösungsansätze.